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Auswirkung von chronischem Pruritus auf die Lebensqualität

Was bedeutet chronischer Juckreiz?
Von „chronischem Juckreiz“ spricht man, wenn das unangenehme Gefühl des Juckens länger als sechs Wochen anhält. Juckreiz ist eines der häufigsten Hautsymptome überhaupt und wird oft unterschätzt.

Was bedeutet Lebensqualität?
Lebensqualität beschreibt, wie gut jemand seinen Alltag bewältigen kann – also ob man arbeiten, schlafen, soziale Kontakte pflegen oder persönliche Ziele verfolgen kann. In der Medizin wird sie mit speziellen Fragebögen gemessen, damit Ärzt:innen die Belastung besser einschätzen können.

Warum ist das wichtig?

  • In Deutschland sind etwa 13–17 % der Menschen von Juckreiz betroffen.
  • Fast jede:r Fünfte hat im Laufe des Lebens schon einmal chronischen Juckreiz erlebt.
  • In Hautarztpraxen klagt mehr als ein Drittel der Patient:innen über Juckreiz – meist chronisch.

Das zeigt: Beschwerden müssen ernst genommen und systematisch untersucht werden.

Der Teufelskreis von Jucken und Kratzen
Juckreiz führt fast automatisch dazu, dass man kratzt, reibt oder drückt. Das bringt zwar kurzzeitig Erleichterung, schadet aber der Haut. Es entstehen kleine Verletzungen und Entzündungen, die den Juckreiz noch verstärken. So entsteht ein Teufelskreis, der schwer zu durchbrechen ist.
Die geschädigte Haut ist anfälliger für Infektionen und sichtbare Hautveränderungen. Diese können zusätzlich belasten – nicht nur körperlich, sondern auch psychisch und sozial.

Auslöser und Triggerfaktoren

Auslöser
– Atopisches Ekzem (Neurodermitis)
– Lebererkrankungen (hepatischer Pruritus)
– Diabetes mellitus (diabetogener Pruritus)
– Chronische Nierenerkrankungen (nephrogener Pruritus)
– Neuropathische Ursachen (Nervenschädigungen)
– Krebserkrankungen (paraneoplastischer Pruritus)
– Prämonitorischer Pruritus (als Vorzeichen anderer Erkrankungen)
– Somatoformer Pruritus (psychische Faktoren)
Triggerfaktoren 
– Trockene, fettarme Haut
– Überhitzte Räume
– Raue oder zu warme Kleidung
– Häufiges Waschen und Baden
– Hautschädigende Substanzen (z. B. entfettende Umschläge)
– Genussmittel wie Alkohol, scharfe Gewürze oder heiße Getränke
– Stress und psychische Belastungen 

Auswirkungen auf Alltag und Körper
Chronischer Juckreiz stört nicht nur die Nachtruhe. Viele Betroffene leiden unter Schlafstörungen und starker Müdigkeit am Tag. Das wirkt sich auf Konzentration, Leistungsfähigkeit und die Arbeit aus. Im schlimmsten Fall kann das sogar zu Arbeitsunfähigkeit und Produktivitätsverlust führen.

Psychische Belastung
Neben den körperlichen Folgen spielen auch die seelischen Auswirkungen eine große Rolle:

  • Stress, Angst und depressive Verstimmungen sind häufig
  • Rückzug aus sozialen Situationen
  • Ein angegriffenes Selbstwertgefühl

Studien zeigen zudem:

  • Belastende Lebensereignisse können den Juckreiz verstärken
  • Frauen und Männer erleben den Juckreiz und die seelischen Folgen unterschiedlich stark
  • Erwartungen – sowohl positive als auch negative – beeinflussen das Kratzverhalten und sogar messbare Hautreaktionen
  • Persönlichkeitsfaktoren wie eine hohe „Empfindlichkeit“ (Neurotizismus) stehen mit stärkerem Juck- und Kratzverhalten in Zusammenhang

Warum eine gute Diagnostik wichtig ist
Psychische Belastungen sieht man der Haut nicht an. Deshalb ist es wichtig, das Unsichtbare sichtbar zu machen:

  • Strukturiertes ärztliches Gespräch (Anamnese)
  • Fragebögen zur Lebensqualität (z. B. DLQI, ItchyQoL)
  • Fragebögen zu Angst und Depression (HADS, PHQ)
  • Ergänzend: Fotodokumentation oder ein Tagebuch über Beschwerden und Kratzverhalten

Therapie – individuell und stufenweise
Die Behandlung richtet sich nach Ursache, Schweregrad, Begleiterkrankungen und Alter. Sie sollte multimodalerfolgen, also mehrere Ansätze kombinieren:

  • Basistherapie: Hautpflege mit rückfettenden Cremes, milde Reinigungsprodukte, sanftes Abtupfen
  • Lindernde Maßnahmen: kurzzeitig Präparate mit Harnstoff oder Menthol, Baumwollkleidung, Vermeidung von Hitze, Stress und Reizstoffen
  • Psychosomatische Verfahren: Verhaltenstherapie mit Strategien gegen den Juck-Kratz-Zyklus, Entspannungsverfahren (z. B. Progressive Muskelrelaxation, Autogenes Training), Psychoedukation
  • Leitlinienbasierte Medizin: die aktuelle europäische S2k-Leitlinie empfiehlt ein gezieltes Vorgehen mit neuen, mittlerweile zugelassenen Behandlungsoptionen für bestimmte Formen des Pruritus

Take-Home-Botschaft
Chronischer Juckreiz kann die Lebensqualität massiv einschränken. Er entsteht aus vielen verschiedenen Ursachen und braucht einen individuellen, leitliniengerechten Behandlungsplan.
Langfristiger Erfolg gelingt, wenn Patient:innen aktiv mitwirken, Ärzt:innen verschiedener Fachrichtungen zusammenarbeiten und die Behandlung regelmäßig überprüft wird.
👉 Wichtig: Chronischer Juckreiz ist in den allermeisten Fällen nicht psychisch bedingt. Aber er beeinflusst die Psyche und die Lebensqualität erheblich – deshalb müssen körperliche und seelische Aspekte gleichermaßen ernst genommen werden.

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