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Entspannungstechniken und Achtsamkeit bei chronischem Pruritus: Was ist wichtig zu wissen?

„Entspannungstechniken und Achtsamkeit bei chronischem Pruritus: Was ist wichtig zu wissen?“ von Dr. Christina Schut, Psychologin. 

Damit wir genauer verstehen können, wieso Entspannungstechniken und Achtsamkeit und bei chronischem Pruritus helfen können ist es wichtig sich einen groben Überblick über die wissenschaftlichen Grundlagen zu verschaffen. Dabei ist vor allem das biopsychosoziale Modellrelevant. Dieses Modell beschreibt die komplexe Wechselwirkung zwischen biologischen, psychologischen und sozialen Faktoren im Zusammenhang mit Pruritus. Es verdeutlicht, dass Juckempfinden nicht isoliert durch physiologische Prozesse bestimmt wird, sondern in einer ständigen Rückkopplung mit kognitiven, verhaltensbezogenen und sozialen Einflüssen steht. So können interne Faktoren wie Angst und externe Faktoren wie Stress über vermittelnde Mechanismen (z. B. Gedanken, Verhaltensmuster, soziale Interaktionen) das Jucken verstärken oder lindern.

Achtsamkeit als relevanter interner Faktor

Achtsamkeit bezeichnet eine nicht-wertende und gegenwartsorientierte Aufmerksamkeit (Kabat-Zinn, 1994). Sie umfasst die bewusste Wahrnehmung eigener körperlicher Empfindungen, Gedanken und Emotionen, ohne diese reflexhaft zu bewerten oder zu unterdrücken. In Bezug auf den Pruritus kann ein geringer Achtsamkeitsgrad zu automatisierten Reaktionsmustern führen, die mit einer geringeren subjektiven Kontrolle über das Jucken einhergehen. Insbesondere ist eine geringe Achtsamkeit mit der sogenannten Juck-Katastrophisierung assoziiert – einer kognitiven Verzerrung, die das Juckempfinden intensivieren kann.

Durch Achtsamkeitstrainings lassen sich diese dysfunktionalen Reaktionsmuster durch eine annehmende, nicht-reaktive Haltung ersetzen. Dies kann helfen, die Wahrnehmung des Juckens zu verändern und eine bewusstere Steuerung der eigenen Reaktion auf das Symptom zu ermöglichen.

Achtsamkeit als therapeutische Intervention

Achtsamkeitsbasierte Verfahren zählen zu den kontextuellen kognitiven Verhaltenstherapien. Ihr Ziel ist es nicht primär, den Pruritus zu eliminieren, sondern die Reaktion darauf zu modifizieren. Typische Interventionsprogramme umfassen wöchentliche Sitzungen von etwa 2,5 Stunden Dauer und beinhalten Elemente wie:

  • Achtsames Wahrnehmen von Atem, Bewegung und Körperempfindungen
  • Psychoedukation über den Zusammenhang zwischen Stress, Jucken und psychologischen Prozessen

Studien zeigen, dass Achtsamkeit sowohl positive Effekte auf hautbezogene Parameter (z. B. Hautzustand) als auch auf psychologische Faktoren (z. B. Angst, Depression, soziale Unsicherheit) hat. Zudem wurde in aktuellen Studien herausgefunden, dass auch kürzere Interventionsprogramme mit einer Dauer von zwei Wochen kurzfristige Effekte haben können, eine nachhaltige Verbesserung wurde bisher jedoch nicht nachgewiesen. 

Externe Faktoren: Stress als Verstärker von Jucken

Stress spielt eine wesentliche Rolle bei der Verstärkung von Pruritus. Die Aktivierung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse und des sympathischen Nervensystems führt zu einer vermehrten Ausschüttung von Mediatoren, wodurch das Juckempfinden verstärkt werden kann. Passend dazu konnten Studien belegen, dass Personen mit chronischem Jucken häufiger belastende Lebensereignisse erleben und auch auf alltägliche Stressoren sensibler reagieren.

Stressbewältigung durch Entspannungstechniken

Zur Stressreduktion stehen verschiedene Entspannungstechniken zur Verfügung, die sich auch positiv auf das Juckempfinden auswirken können:

  • Progressive Muskelentspannung (PMR): Diese Methode basiert auf dem Wechselspiel von Anspannung und Entspannung der Muskulatur. Bereits ein zweiwöchiges Training kann sich positiv auf Jucken und Schlafqualität auswirken.
  • Autogenes Training: Durch die Fokussierung auf Körperempfindungen wie Wärme oder Schwere kann eine tiefe Entspannung erreicht werden. Bei Pruritus wird häufig eine modifizierte Form genutzt, die kühlende Empfindungen betont („Meine Haut ist angenehm kühl“).

Wissenschaftliche Evidenz

Metaanalysen zeigen, dass die Wahl der therapeutischen Strategie sich an den individuellen Symptomfaktoren orientieren sollte:

  • Überwiegt das Kratzverhalten, ist eine Verhaltenstherapie empfehlenswert
  • Liegt der Fokus auf Stress, sind Entspannungsverfahren effektiv
  • Bei dysfunktionalen Gedanken kann eine kognitive Umstrukturierung helfen 
  • Meist sind jedoch kombinierte Ansätze notwendig, die kognitive, verhaltenstherapeutische und achtsamkeitsbasierte Elemente integrieren

Fazit und zukünftige Entwicklungen

Jeder Patient sollte die Möglichkeit erhalten, Achtsamkeits- und Entspannungsverfahren auszuprobieren. Achtsamkeit, progressive Muskelentspannung und autogenes Training bieten vielversprechende Ansätze zur Unterstützung von Menschen mit chronischem Jucken. Letztlich ist die individuell passende Methode entscheidend – Kreativität und Offenheit der Betroffenen sind hierbei essenziell.

Für die Zukunft gibt es noch viele Aspekte die Erforscht werden können. Beispielsweise können digitale Angebote wie Online-Interventionen zukünftig eine wichtige Rolle spielen, wenngleich aktuell keine spezifische App für Pruritus existiert. Zudem sollte intensiviert erforscht werden, wie moderne Technologien , zum Beispiel virtuelle Realität, zur Unterstützung von Achtsamkeitstrainings genutzt werden können. 

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